Zwischen Blüte und Abschied
🌀 Was haben eine blühende Bonsai-Kiefer und meine 96-jährige Mutter gemeinsam?
Wir sind kurz vor dem Urlaub. Drei Wochen lang wird unser Zuhause leer stehen – und meine Bonsai-Diva allein zurückbleiben.
Es gibt einen Plan: beide Bonsais – der verlässliche Ahorn und meine zickige Mädchenkiefer – kommen in eine große Wanne, bekommen Wasser von unten. Unsere Haushaltshilfe schaut einmal pro Woche vorbei und füllt auf.
Soweit die Theorie.
Heute Morgen entdecke ich: Die Kiefer blüht.
Zart, wunderschön, überraschend.
Männliche Kätzchen, rötlich-gelb, wie kleine Sonnen an den Triebspitzen.
Für Laien ein hübsches Detail – für Bonsai-Liebhaber ein Ritterschlag. Denn wenn eine Mädchenkiefer (Pinus parviflora) blüht, heißt das: Sie ist reif. Stark genug, um sich fortzupflanzen. Alt und vital genug, um es zu zeigen.
Das passiert nicht oft – und schon gar nicht zufällig.
Ein Bonsai, der blüht, hat überlebt … zehn Jahre mit mir.
Er hat wieder Kraft gesammelt. Und sagt mit jeder Kätzchenwolke:
Ich bin wieder da.
Und ich? Ich fahre in den Urlaub.
Lasse sie los – ein bisschen widerwillig, ein bisschen schuldbewusst.
Denn in ihrer Blüte steckt nicht nur Kraft, sondern auch Verletzlichkeit.
Blühende Kiefern zehren. Ich weiß, ich müsste nach der Reise die Kätzchen vorsichtig entfernen, damit der Baum nicht zu viel Kraft verliert. Jetzt kann ich nur hoffen, dass mein Plan aufgeht.
Und dann ist da noch meine Mutter. 96, nicht pflegebedürftig, aber: steinalt.
Laut Ärzten sind es wohl eher Monate als Jahre. Auch von ihr haben wir uns gestern verabschiedet. Ich habe ein Foto gemacht – für den Fall, für die Erinnerung, für den Moment.
Sie war still und ein bisschen traurig.
Wie meine Kiefer.
Wie ich.
Und so stehe ich zwischen Bonsai und Mutter, zwischen Blüte und Abschied.
Beides zart.
Beides stark.
Beides nicht für ewig.
👉 Impulse zum Nachdenken:
Kennst du solche Momente zwischen Hoffnung und Abschied?
Was hast du losgelassen – obwohl es gerade erst aufgeblüht war?
Wenn du wissen willst, wie diese Diva überhaupt zu mir kam – und was sie in den letzten Jahren durchgemacht hat:
Hier geht’s zur ganzen Bonsai-Geschichte.
Bis nächste Woche – vielleicht barfuß, mit einem Mangosaft in der Hand und Sand zwischen den Gedanken.
Dr. Klang?
Der trägt Sonnenhut, schweigt bedeutungsvoll – und nickt meiner Bonsai-Diva zu, als wüsste er etwas, das ich erst noch lernen darf.
Hoffnung und Abschied gehen Hand in Hand.
Nicht weil es leicht ist –
sondern weil wir hoffen müssen,
damit der Abschied uns nicht zerbricht.